
Warenkunde: Tomaten-Kulturgeschichte
Die Herkunft von Tomaten
Es gibt sie in knalligstem Rot, warmen Gelb-Orange-Tönen, prächtigem Violett bis hin zum imposantem Schwarz, die Farbe kann dabei homogen verteilt sein oder Streifen wie ein Zebra haben. Und als wäre das der Vielfalt nicht genug, findet man sie in den unterschiedlichsten Größen und Formen – das Spektrum an Tomatensorten ist enorm und kaum ein italienisches Gericht kommt ohne sie aus. Dabei liegt ihre Heimat weit entfernt in Peru und Ecuador, wo sie ursprünglich gar nicht als Nahrungspflanze genutzt wurde. Die ersten Nachweise einer Kultivierung wird einer der Hochkulturen Mexikos, den Azteken, zugeschrieben. Sie gaben ihr den Namen „tomatl“.
Die Furcht vor der Tomate
Die Kulturgeschichte der Tomate liest sich ähnlich spannend wie die der
Kartoffel. Schließlich sind die beiden eng verwandt und gehören der
gleichen Pflanzenfamilie, den Nachtschattengewächsen (Solanaceae), an.
Überlieferungen zufolge kam die Tomate schon bald nach der Entdeckung
Amerikas auf den europäischen Kontinent. Doch man traute den kleinen,
runden und leicht bitter schmeckenden Früchten nicht so recht. Eine
gewisse Skepsis ist durchaus begründet, denn die Blätter und grünen
Stellen enthalten das für die Pflanzenfamilie so typische Alkaloid
Solanin, welches in höheren Dosen zu Übelkeit und Erbrechen führen kann.
Mancherorts galt die Tomate als regelrechtes Teufelskraut und stand im
Verdacht, „Liebeswahn“ auszulösen. Und tatsächlich handelte man die
runde pralle Frucht lange Zeit als Aphrodisiakum. Hierher rührt
vermutlich das von den Franzosen gerne verwendete Tomaten-Synonym „Pomme
d'amour“. Im deutschsprachigen Raum hingegen trug sie den Namen
„Paradiesfrucht“ – das Sinnbild für Verbotenes.
Der späte Siegeszug der Tomate
Der
große Respekt vor den Inhaltsstoffen der Tomate hielt Jahrhunderte an.
Die Italiener, noch heute führend im Pro-Kopf-Verbrauch an Pomodoro
(Goldapfel), wie sie die Tomate liebevoll nennen, waren wagemutig und
vermutlich die ersten, die sich an den Verzehr der Früchte trauten – das
war etwa im 16. Jahrhundert.
In Deutschland dauerte es deutlich länger, bis die Tomate den Sprung von
einer Zier- zur Nutzpflanze und damit in die Küche schaffte. Erst um
1900 war sie hierzulande ein geläufiges Lebensmittel. In Nordamerika
übrigens erging es der Tomate nicht viel anders, dorthin gelangte die
Pflanze interessanterweise nicht aus den benachbarten Heimatländern
Südamerikas, sondern nahm den Weg über Europa. Bei dieser holprigen
Kulturgeschichte ist es kaum zu glauben, dass die pralle rote Frucht
mittlerweile und innerhalb kürzester Zeit zum weltweit beliebtesten
Gemüse herangewachsen ist.
Tomate - ein beliebtes Objekt der Gentechnik
Eine Pflanze mit solcher Karriere und wirtschaftlicher Bedeutung ist, wen wundert`s, eininteressantes Objekt für Züchtung und Gentechnik. So war die sogenannte „Anti-Matsch-Tomate“ (FlavrSavr-Tomate) das erste, für den amerikanischen Markt zugelassene gentechnisch veränderte Lebensmittel. Die Idee dieser Tomate: über Wochen hinaus festfleischig zu bleiben. Da der Geschmack auf der Strecke blieb, findet man sie heute aber nicht mehr im Handel. Ebenfalls nur mit mäßigen Erfolgschancen ausgestattet, ist die sogenannte „Tomoffel“ – der Versuch, Tomate und Kartoffel in einer Pflanze zu vereinen. Doch ein Gewächs zu züchten, welches es schafft, unterirdisch stärkereiche Knollen und oberirdisch schmackhafte Früchte hervorzubringen, ist bisher noch nicht wirklich gelungen.