Wheaty – es geht nicht um die Wurst

Kurz gefasst

  • Gründungsgeschichte 1980 Tofuhaus Belsen, 1984 Yamato Tofuhaus GmbH, 1993 Topas GmbH
  • Unternehmensstandort Mössingen
  • Geschäftsleitung Klaus Gaiser
  • Mitarbeiter anfangs 2, heute um die 90
  • Produkte Fleischalternativen aus Seitan in Form von Aufschnitten, als Bauern-Knacker oder Gyros in verschiedenen Gewürzrichtungen

Veganes in einer ehemaligen Metzgerei

Es riecht nach würzigen Fleischwaren, als Klaus Gaiser, Gründer und Geschäftsführer der Topas GmbH, uns durch weiß gekachelte Räume führt. Linker Hand macht ein Kutter einen Riesenlärm, während er die Masse für den Wheaty-Aufschnitt Salami vermischt. "Früher war das mal eine Metzgerei", sagt Klaus Gaiser, "heute machen wir hier ausschließlich Produkte, für die kein Tier sterben musste." Der Kutter neben uns wird geöffnet, die Gewürze aus 25-Kilo-Säcken kommen zur Masse hinzu. Es dauert nicht lange und wir müssen niesen und husten, die Augen tränen. Was so reizend wirkt, ist das aufgewirbelte Paprikapulver, das in eine gute Salamialternative gehört. Weiter hinten in der Halle füllt eine Mitarbeiterin an der Aufhängelinie Kunststoffdärme mit Seitanmasse. Was herauskommt, sieht genauso aus wie eine Bratwurst aus Fleisch. Eine Halle weiter wird aus der dicken Salamialternative der Aufschnitt, den Mitarbeiterinnen genau abgezählt in die typisch grünen Wheaty-Verpackungen stecken. Am Tag werden fünf bis sieben Tonnen vegane Wurst- und Fleischalternativen hergestellt.

Die veganen Produkte, die Klaus Gaiser selbst entwickelt und immer zuerst in seiner Versuchsküche testet, bestehen hauptsächlich aus Weizeneiweiß. Das entsteht, wenn Weizenteig mit Wasser ausgewaschen wird. Hinzu kommen je nach Rezeptur Sonnenblumenöl, Kokosfett, Knoblauch, Zwiebeln und Gewürze. Abgefüllt in Kunststoffdärme, die später wieder entfernt werden, durchlaufen sie mehrere Koch- und Räucherphasen. Die Rohstoffe dafür kommen bevorzugt aus Deutschland und Europa. Bei Gewürzen oder Kokosfett sind Ausnahmen unumgänglich. "Denn noch werden die Kokosnüsse hier einfach nicht groß genug", schmunzelt Klaus Gaiser.

Zum Vegetarismus sei er übrigens gekommen wie die Jungfrau zum Kinde, erzählt er lachend. Eigentlich studierte der gebürtige Schwabe damals Japanologie und Sinologie, um eine akademische Laufbahn einzuschlagen. Doch ein längerer Aufenthalt in Japan veränderte alles. 1979 lernte er dort bei einem Tofumeister in Kamakura das Tofumachen – da war es um ihn geschehen. "Es war die Faszination des Exotischen und außerdem hatte ich richtig Spaß dabei. Vor allem, als wir noch über Holzfeuer in unseren Kesseln gerührt haben", erzählt der 64-Jährige von seinem ersten intensiven Kontakt mit einer der großen ost­asiatischen vegetarischen Traditionen. Nachdem er – zurück in Deutschland – zunächst für einige Zeit privat Tofu, Miso oder Sake zubereitet hatte, gründete Klaus Gaiser 1980 ­gemeinsam mit seiner vegetarisch lebenden Frau ein Unternehmen für die Tofuproduktion. Da das erste Kind unterwegs war, hatte er vor, neben seiner wissenschaftlichen Laufbahn die Familie mit dem Tofumachen zu ernähren: "Das funktionierte aber nicht, ich musste in der Tofurei 200 Prozent geben und mich schließlich zwischen Universität und Tofumachen entscheiden." Der Tofu gewann.

Doch bei Tofu blieb es nicht – nachdem er seine Tofurei Ende der 1980er-Jahre an ein größeres Unternehmen verkauft hatte und für dieses in der Produktentwicklung tätig gewesen war, machte er sich 1993 mit der Topas GmbH wieder selbstständig. Nun nahm er sich der zweiten großen ostasiatischen, vor allem mönchischen, Tradition an: dem Seitan. Anders als bei den Produkten aus Tofu bemühte Klaus Gaiser sich, den Originalen der westlichen Küche so nah wie möglich zu kommen. Für seine veganen Seitan Produkte sollten die Menschen sich nicht auf exotische Küche umstellen müssen. Er vermischte die Masse mit würzenden Zutaten und brachte sie in Wurstformen oder in größere Stücke oder Aufschnitt. Später kamen Spezialitäten dazu, die wie Kebab und Gyros gewürzt waren.

"Laut der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) verursacht die Tierzucht, speziell der Fleischverzehr, auf dem Globus außerordentlich große Umweltschäden. In vielen Ländern werden heute noch jeden Tag Wälder in der Größe des Kreises Tübingen abgeholzt, um Soja anzubauen, mit dem wir hier unsere Tiere mästen", erklärt Klaus Gaiser. Ebenso sei es schlicht grauenhaft, wie Tiere in Massentierhaltung behandelt würden. Aus dieser globalökologischen und tierethischen Perspektive heraus unterstützt Klaus Gaiser mit seinem Familienbetrieb neben der Herstellung von Fleischalternativen auch viele Tierrechtsorganisationen: mit Geldspenden und noch häufiger mit einer kostenlosen Verköstigung bei Aufklärungsveranstaltungen auf der Straße. Seine ­veganen Kreationen sollen es den Menschen erleichtern, ihren Speiseplan mit fleischfreien Alternativen zu ergänzen oder ganz umzusteigen. Das, so Klaus Gaiser, sage er auch immer, wenn er gefragt werde, warum die Wheaty-Produkte denn unbedingt aussehen und schmecken sollen wie Fleisch: "Überzeugte Veganer essen sowieso nichts Tierisches. Wenn ich mehr Menschen dazu bekommen möchte, teilweise oder ganz auf Fleisch zu verzichten, dann schaffe ich das am ehesten, wenn sie sich mit ihren Verzehrsgewohnheiten nicht um 180 Grad drehen müssen." Und das ist dann gut für die Umwelt und die Tiere.

››› Rena Schäfges