Schoenenberger – Heilpflanzensäfte

Kurz gefasst

  • 34 Heilpflanzensäfte stellt Schoenenberger her. Die Indikationen reichen von Schleimlösung bei Erkältungen (Andorn) über Verdauungsbeschwerden (Artischocke) bis zur Stärkung der Abwehrkräfte (Sonnenhut).
  • Seit 1961 sind die Säfte als frei verkäufliche Arzneimittel zugelassen.

Frisch gepresst statt Extrakte

Überraschungen helfen, ein neues Thema zu verstehen. Zum Beispiel, wenn bei einem Hersteller von Heilpflanzensäften zunächst von Rosmarin die Rede ist. Gleich zu Beginn unseres ersten Gespräches in Magstadt bei Stuttgart fragt mich Thilo Haßler, ob ich beim Kochen lieber frischen oder getrockneten Rosmarin verwende. Natürlich kann der promovierte Apotheker und wissenschaftliche Leiter von Schoenenberger meine Antwort erahnen und fährt deshalb fort: "Deswegen pressen wir unsere Pflanzensäfte alle frisch, wir verwenden keine Extrakte oder getrockneten Pflanzen." Damit deren Inhaltsstoffe weitestgehend erhalten bleiben, so Haßler, erzeugt Schoenenberger seine Heilpflanzensäfte allein durch Pressung der Pflanze und verzichtet auf die Extraktion mit Lösungsmitteln und auf Zusätze wie Alkohol, Zucker oder Konservierungsstoffe. Frisch und naturbelassen sollen die Heilpflanzensäfte sein.

Was das genau bedeute, könne ich am besten auf dem Feld nachvollziehen. Und so fahren wir mit Andrea Frank-Bühler, der Bio-Beauftragten von Schoenenberger, zu den Feldern von Klaus Winter. Während der Fahrt erzählt die Biologin, dass die Familie Winter bereits in der vierten Generation Heilpflanzen für Schoenenberger anbaue. Eigentlich wollten wir Felder mit blühender Echinacea besuchen, doch der heiße Sommer hat die Blüte früher als sonst beendet und damit unsere Pläne durchkreuzt. "Die Phasen großer Trockenheit, aber auch starken Regens sind häufiger als früher", sagt Klaus Winter, "darauf müssen wir uns einstellen." Mit "wir" meint der Bioland-Gärtner seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und die Produktionsverantwortlichen bei Schoenenberger. Natürlich machen sie jedes Jahr Pflanzpläne und orientieren sich dabei an den besonders nachgefragten Produkten. Doch das letzte Wort hat die Natur und nicht der Markt.

Das war schon zu Zeiten des Firmengründers Walther Schoenenberger nicht anders. Der Apotheker fand Anfang der 1920er­Jahre beim Studium mittelalterlicher Kräuterbücher Hinweise auf die therapeutische Wirksamkeit frisch gepresster Pflanzensäfte. Dieses Wissen war im Laufe der Jahrhunderte in Vergessenheit geraten. Schoenenberger gelang der Nachweis, dass frische und naturreine Pflanzen das größte Spektrum an natürlichen, heilenden Wirkstoffen enthalten. Sie aktivieren die Selbstheilungskräfte des Körpers. Echinacea purpurea beispielsweise stärkt die Abwehrkräfte. Und so hat Schoenenberger für jede Indikation einen Heilsaft entwickelt. Die erste Versuchspresse stand noch in der Küche der Mutter. Für sein Ziel, Heilpflanzen das ganze Jahr verfügbar zu machen, brauchte er jedoch größere Mengen. Als er Bauernhöfe beauftragte, Brennnesseln statt Getreide anzubauen, erntete er zunächst nur Kopfschütteln und später, nachdem er ihnen denselben Preis wie für das Getreide gezahlt hatte, endlich die begehrten Pflanzen. Brennnesselsaft, das wusste Schoenenberger, kann zur Linderung leichter Gelenkschmerzen beitragen.

In dieser Tradition sieht sich auch Klaus Winter. Sein Vater und sein Großvater waren ebenfalls Gärtner. "Mit Schoenenberger verbindet uns eine enge Partnerschaft. Wir helfen uns seit Jahrzehnten gegenseitig." Sobald die Pflanzen blühen, erntet Klaus Winter und bringt den Schnitt direkt zu Schoenenberger. "Frischer geht es nicht", sagt er stolz. In den Erntemonaten liefert der Gärtner jeden Tag andere Pflanzen. Gleich nach der Anlieferung bringt ein Förderband die Pflanzen in die Verarbeitung. In den penibel sauberen Hallen landet jede Pflanzensorte geschnitten und gereinigt in einer enormen Presse. Vor wenigen Stunden stand der Spitzwegerich noch auf dem Feld, jetzt fließt er als Saft in Flaschen. Eine frischere Verarbeitung gibt es wirklich nicht.

››› Volker Laengenfelder

Im Interview: Dr. Florian Block

Über traditionelle Arzneimittel im Bio-Supermarkt, Kartoffelsaft gegen Sodbrennen und Auswirkungen des Klimawandels sprachen wir mit Dr. Florian Block,  dem Geschäftsführer von Schoenenberger.

Herr Block, Heilpflanzensäfte im Bio­Supermarkt – wie passt das zusammen?

Dr. Florian Block: "Bestimmte frei verkäufliche Arzneimittel im Sortiment zu haben, verstehen wir als konsequente Weiterführung des Bio-Gedankens. Die meisten unserer Heilpflanzen bauen wir biologisch und in unmittelbarer Umgebung unseres Standortes an. Gerade der biologische Landbau verbindet uns mit Alnatura. Entsprechend der arzneimittelrechtlichen Vorgaben verarbeiten wir von Heilpflanzen die Blätter, Blüten, Stängel, Wurzeln und Früchte mit all ihren Wirkstoffen. Unsere Heilpflanzensäfte sind naturbelassene Produkte und als frei verkäufliche Arzneimittel zugelassen."

Pflanzliche Arzneimittel haben für viele Menschen einen hohen Stellenwert. Dennoch ist Schoenenberger einer der wenigen Hersteller reiner Pflanzensäfte.
"Seit über 90 Jahren stellen wir unsere Heilpflanzensäfte nahezu unverändert her. Darin ist jahrhundertealtes Wissen versammelt. Dass dieses Wissen reaktiviert wurde, haben wir Walther Schoenenberger, dem Gründer unseres Unternehmens, zu verdanken. Ihm gelang der Nachweis, dass frische und naturreine Pflanzen das größte Spektrum an natürlichen, heilenden Wirkstoffen enthalten. Weshalb sollten wir also auf Extrakte oder getrocknete Pflanzen setzen, wie es andere Hersteller tun? Nur aus wirtschaftlichen Gründen auf bewährte Heilsäfte zu verzichten, ergibt für uns keinen Sinn."

Setzen Sie auch bei neu entwickelten Heilsäften auf altes Wissen?
"Jeder unserer aktuell 34 Heilpflanzensäfte ist einem Indikationsgebiet zugeordnet. Echinacea zum Beispiel stärkt die Abwehrkräfte und wird zur unterstützenden Behandlung häufig wiederkehrender Atemwegsinfekte eingesetzt. Über das bestehende Wissen hinaus gibt es für uns natürlich auch noch weitere Pflanzen und ihre Wirkungsweisen zu entdecken. Das tun wir mit unserem Forschungs- und Entwicklungsbereich. Unsere wissenschaftlichen Fachkräfte ziehen alte und neue Quellen heran und führen eigene Versuche durch. Es wenden sich auch Kundinnen und Kunden mit ihren Erfahrungen an uns. Dann prüfen wir, ob diese Beschreibungen wissenschaftlich belegt sind. Nur wenige Ansätze führen zu einem neuen Arzneimittel, von den ersten Versuchen bis zur Zulassung können dann bis zu sieben Jahre vergehen."

Wäre es für Sie interessant, die Heilwirkung tropischer Pflanzen zu testen?
"Interessant sicherlich, doch weshalb in die Ferne schweifen? Wir konzentrieren uns auf heimische Pflanzen, diese decken die wesentlichen Indikationen ab, zum Beispiel Kartoffel gegen Sodbrennen, Spitzwegerich bei Hustenreiz oder Löwenzahn bei Magen-Darm-Beschwerden. Nur wenige Pflanzen wie die Artischocke kommen nicht aus unserer unmittelbaren Umgebung. Gerade die Nähe zu unseren Vertragsgärtnereien – sie haben Kompetenz für heimische Kulturen – garantiert uns die gewünschte Qualität und vor allem die erforderliche Frische."

Stichwort Qualität – wie können  Sie diese angesichts starker Wetterschwankungen sicherstellen?  
"Auch unsere Gärtnereien sind von der Witterung abhängig. Wenn Extreme wie in diesem Sommer auftreten, müssen wir sehr flexibel sein. Deshalb stimmen wir uns regelmäßig mit unseren Gärtnerinnen und Gärtnern ab. Der Weißdorn ist beispielsweise für uns eine wichtige Pflanze. Früher blühte er konstant lang zur selben Jahreszeit, mittlerweile nur sehr kurz, Planungen sind so kaum möglich. Witterungsschwankungen hat es natürlich immer gegeben, dennoch sind wir uns einig, dass wir inzwischen erste Auswirkungen des Klimawandels spüren. Ein Grund mehr für uns, weiter auf nachhaltiges Wirtschaften und Bio-Anbau zu setzen."

››› Das Gespräch führte Volker Laengenfelder

Stand: 01.10.2018