Von der Idee zur Wirklichkeit

Die Natur ist sinnvoll. Es ist Winter. Vor uns liegt der braune Acker, im Hintergrund wintergrüne Wiesen. Wir erinnern uns an den Sämann, der im Herbst über den Acker ging und die Saat ausbrachte. Korn für Korn fällt in den Boden und ruht dort im Winter.
Ohne unser Zutun regelt die Natur die Entfaltung des Samenkorns. Durch Wasser und die Wärme der Sonne beginnt das Samenkorn im Frühjahr, Keimwurzeln zu bilden. Anschließend keimt die Pflanze, und es entsteht der grüne Spross. Gleichzeitig bildet die Pflanze im Boden weitere Wurzeln. Während etwa 250 Tagen wächst das Wurzelwerk einer Roggenpflanze in immer größeren Verästelungen viele Meter tief in die Erde hinein. Man hat wissenschaftlich ermittelt, dass eine Roggenpflanze pro Tag bis zu vier Kilometer Wurzeln bilden kann. Insgesamt entstehen im Laufe der Zeit aus einem Samenkorn (!) circa 500 Kilometer Wurzeln.

Beim Roggen – wie bei den Getreiden generell – gibt es das Phänomen der Bestockung, das heißt, aus einem Korn können bei ausreichend Wasser, Licht und Nährstoffen im Boden 30 oder mehr Halme entstehen; nicht alle Halme gelangen zur Reife. Ein Roggenhalm wird bis zu zwei Meter hoch. Die Ähre mit den Körnern, die sich oben am Halm bildet, besteht je Lage aus vier Körnern. Je nach Roggensorte gibt es 20 bis 25 Lagen pro Ähre. 100 Körner je Halm führen bei 30 Halmen zu 3.000 Körnern, die aus einem einzigen Roggenkorn hervorgehen können!

Dieses Wunder der Natur können wir beobachten, aber nicht erklären. Wir wissen jedoch, dass die Natur sinnvoll wirkt. In Abhängigkeit von den Umweltverhältnissen gestaltet die Natur ihren Wachstumsprozess als ständige Gestaltmetamorphose der wachsenden und sich entwickelnden Organismen im Entwicklungsverlauf. Wenn es uns gelingt, die Natur in ihrer Entwicklung zu unterstützen, kann sie mehr hervorbringen, als dies ohne unseren Beitrag möglich wäre. Allerdings kann sie in ihrem nachhaltigen Wachstum auch gestört werden, wenn wir eingreifen, um nach bestimmten, uns nützlich erscheinenden Kriterien (z. B. Menge, Größe) das Gleichgewicht der Natur zu stören. Dies macht die Agrarindustrie.

Die Wirtschaft braucht eine Sinngebung.
Auch ein Unternehmen, eine Volkswirtschaft und sogar die Weltwirtschaft sind als sozialer Organismus zu begreifen. Während der natürliche Organismus sich gemäß seinem Urbild nach von uns nicht festgelegten Regeln natürlich entwickelt, gestalten wir Menschen durch unsere Ideen und Taten den sozialen Organismus. Das Entwicklungsziel dieses Organismus ist nicht von der Natur vorgegeben, sondern in einer offenen Gesellschaft durch deren Mitglieder zu bestimmen. Auch ein Unternehmen bedarf der Zielsetzung. Das Ziel von Alnatura ist es, beste Bio-Produkte zu möglichst günstigem Preis möglichst vielen Menschen in ästhetisch gestalteten Geschäften anzubieten. Diese Sinngebung unseres Tuns haben wir gewählt, sie ist freiwillig.

Das höchste Produkt ist der freie Mensch. Auch das Ziel der besten Bio-Lebensmittel von Alnatura dient wiederum einem höheren Sinn. Das Wesentliche unseres Daseins ist es, die Voraussetzung dafür zu schaffen, dass jeder Mensch sich in seiner Individualität entfalten und seine geistige Freiheit selbstverantwortlich entwickeln kann. Diesem Ziel fühlt sich die Arbeitsgemeinschaft Alnatura verpflichtet. Aber auch die "Befreiung der Natur" im Sinne ihrer Förderung und Veredelung sehen wir als unsere Aufgabe an. Wir wollen dazu beitragen, dass die in der Natur schlummernden Kräfte "entzaubert" und zum Wohle von Natur und Kultur immer besser wirksam werden können.

Gute Zusammenarbeit ist wie schöne Musik.
Im Gegensatz zum natürlichen Organismus, der das Zusammenwirken seiner Organe von Natur aus "kann", ist das Zusammenspiel der einzelnen Organe in einem Unternehmen nicht naturgegeben, sondern die Kernaufgabe schlechthin. Nur wenn wir harmonisch zusammenarbeiten und die Prozesse sinnvoll gestalten, kann die gemeinsam erstellte Leistung in entsprechender Qualität erbracht werden. Obgleich jeder ein eigenes Instrument im Unternehmen spielt, d. h. seine spezielle Aufgabe erfüllt, gelingt das Gemeinschaftswerk nur, wenn wir den gleichen Komponisten spielen und das gleiche Stück. Hierzu bedarf es eines großen Interesses aneinander und einer echten Liebe zu den Kunden. Nur wenn wir wirklich gerne für andere tätig sind, können wir alle Kreativität freisetzen, um das Wahre, Schöne und Gute zu schaffen.

Autor: Prof. Dr. Götz E. Rehn
Gründer und Geschäftsführer von Alnatura