Alnatura Standpunkt zu "Regenerative Landwirtschaft"

'Regenerative Landwirtschaft' ist ein neuer Modebegriff für die Weiterentwicklung der Landwirtschaft. Die Agrochemie-Unternehmen, die großen Akteure der Lebensmittelindustrie sowie verschiedene Organisationen und Politiker nutzen ihn. Sie eignen sich damit einen Begriff an, der eigentlich für eine Kerneigenschaft natürlicher Kreisläufe steht, nutzen ihn jedoch für eine Landwirtschaft unter Einsatz von chemischen Betriebsmitteln, die der Natur fremd und ihr oft schädlich sind.

Im März 2023 veröffentlichte die Boston Consulting Group zusammen mit der großen deutschen Organisation Nabu – Naturschutzbund Deutschland die Studie „The Case for Renegerative Agriculture“. Das Agrochemie-Unternehmen Syngenta äußert sich auf seiner Homepage ausführlich zum Thema (syngentagroup.com/de/regenerative-landwirtschaft), um nur zwei aktuelle Beispiele zu benennen.

Eine holländische Wissenschaftlergruppe um Schreefel et al. veröffentlichte 2020 als Literatur-Übersichtsartikel im Journal Global Food Security (No. 26-2020-100404) die Studie „Regenerative agriculture – the soil is the base“. Aus den ausgewerteten Artikeln entwickelten die Autoren eine bislang noch fehlende Definition für ‘Regenerative Landwirtschaft’: „‘Regenerative Landwirtschaft’ ist eine landwirtschaftliche Herangehensweise, die die Bewahrung des Bodens als Einstiegspunkt nimmt, um zu Ökosystemdienstleitungen beizutragen und um die Landwirtschaft zu regenerieren durch vielfältige Vorkehrungen, Regeln und Unterstützungsmaßnahmen. Ziel dabei ist es, nicht nur umweltbezogene, sondern auch soziale und wirtschaftliche Dimensionen einer nachhaltigen Lebensmittelerzeugung zu verbessern.“

Die Bewahrung des Bodens und die Verbesserung einer nachhaltigen Lebensmittelerzeugung, das klingt erst einmal gut und deutet nicht auf Schädliches hin. Wo also liegt das Problem? Probleme zeigen sich auf mehreren Feldern:

  • ‘Regenerative Landwirtschaft’ wird als Herangehensweise benannt. Zum einen spricht sie konkrete und bewährte landwirtschaftliche Praktiken an, zum anderen verschiedene politische Zielsetzungen – sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Gebieten.
  • Allerdings handelt es sich nicht um ein klar definiertes Landwirtschaftssystem; weder in privaten Richtlinien noch durch gesetzliche Vorgaben ist es bisher beschrieben. Auch gibt es kein System unabhängiger, fachkompetenter Inspektion und Zertifizierung dafür. So kann praktisch jeder behaupten, er arbeite gemäß regenerativen Methoden. Es gibt keinen Maßstab, gegen den man die Behauptung messen könnte.
  • Als ‘Regenerative Landwirtschaft’ werden landwirtschaftliche Praktiken angeführt: Fruchtfolge, integrierte ackerbauliche und tierische Erzeugung, Einsatz von organischen Düngern, Minimierung extern zugekaufter Betriebsmittel, die der Verbesserung der Bodenfruchtbarkeit dienen. Es sind die bewährten Instrumente des ökologischen Landbaus. Sie bilden dort ein erprobtes und zusammengehöriges System, dessen erwünschte Wirkungen auf den Boden und die Bodenfruchtbarkeit erwiesen sind. In der ‚Regenerativen Landwirtschaft‘ dagegen liegt die Wahl der jeweils genutzten Mittel und Methoden ganz beim Landwirt; er sucht sich aus, was er anwendet, auf eine regelkonforme, umfassende Anwendung eines definierten Paketes kommt es nicht an; die Befolgung der Regeln wird nicht unabhängig überprüft und verifiziert.
  • Die ‘Regenerative Landwirtschaft’ definiert keine Grenzschranken für ihr System. Agrochemikalien werden weiter eingesetzt – Pestizide, sogar das Totalherbizid Glyphosat, außerdem Mineraldünger, insbesondere synthetisierte Stickstoffdünger und ebenso die gentechnisch veränderten Organismen. All diese Mittel schließt dagegen die ökologische Landwirtschaft für sich strikt aus.
  • Die Zielsetzungen, die der ‚Regenerativen Landwirtschaft‘ zugesprochen werden, behandeln anerkannte Ziele einer nachhaltigen Wirtschaftsweise. Allerdings sind politische Vorgaben, Maßnahmen oder Programme zu ihrer Erreichung nicht formuliert.
  • Die Befürworter der ‚Regenerativen Landwirtschaft‘ behaupten, sie helfe dabei, den Klimawandel zu bremsen, Süßwasserreserven zu schützen, zu Erhalt und Wachstum der Biodiversität beizutragen. Wünschenswerte Zielsetzungen ohne Zweifel, aber nicht unterfüttert mit klaren Vorgaben, Maßnahmen oder Programmen, geschweige denn staatlicher Förderung oder Überprüfung und Verifikation.
  • Das World Resource Institute (WRI), eine von verschiedenen großen Organisationen und Institutionen getragene Einrichtung, die nicht dem „alternativen“ Spektrum zuzurechnen sind, formuliert einen eher kritischen Blick auf die ‘Regenerative Landwirtschaft’ (wri.org/insights/regenerative-agriculture-good-soil-health-limited-potential-mitigate-climate-change). Das Potenzial der ‚Regenerativen Landwirtschaft‘ für positive Effekte auf Bodengesundheit und -fruchtbarkeit wird bejaht. Aber die Experten des WRI bezweifeln, dass die behaupteten Effekte hinsichtlich Klimaschutz oder Regionalentwicklung erreichbar sind. Dies ausdrücklich, weil es dazu keine klar definierten Programme, Regelwerke, Finanzmittel oder Überprüfungssysteme gibt.

Fazit: Die landwirtschaftlichen Methoden, die die ‘Regenerative Landwirtschaft’ anspricht, gehören zum bewährten Instrumentarium der ökologischen Landwirtschaft. Die konstatierten Zielsetzungen sind anerkannte Ziele der nachhaltigen Land- und Lebensmittelwirtschaft. Aber die ‘Regenerative Landwirtschaft’ nutzt kein klar definiertes Set an Zielen und Maßnahmen, es fehlen Regelwerke und Überprüfungssysteme, außerdem politische Programme und Fördermaßnahmen. Wenn sich Vertreter von Landwirtschaft und Naturschutz oder Zivilgesellschaft auf undifferenzierte Weise zustimmend für die ‘Regenerative Landwirtschaft’ aussprechen, ist dies schädlich für die ökologische Landwirtschaft. Denn es verwischt das klare Profil der ökologischen Landwirtschaft, verwirrt die Verbraucherschaft und ebenso die politischen Gestalter und verzerrt den Wettbewerb am Lebensmittelmarkt auf unfaire Weise.