Sommer - unverfälschtes Backhandwerk in 5. Generation
Kurz gefasst
- Gegründet 1864 in Friedrichsdorf im Taunus
- Mitarbeiter 100, die meisten seit vielen Jahren im Unternehmen
- Sortiment: über 40 Produkte, viele davon vegan, Fairtrade und in Demeter-Qualität
- von Keksen über salziges Knabbergebäck bis Zwieback
- Zertifizierung: seit 1998 Bio, seit 2003 Bioland und Demeter
- Sitz und Produktion seit 2010 im benachbarten Neu-Anspach
- 2014 feierte Sommer 150-jahriges Jubiläum
- seit 2016 werden glutenfreie Produkte hergestellt
Am Anfang war der Zwieback
Das Zentrum Europas liegt in Friedrichsdorf.
Zugegeben, damit diese Behauptung zur Tatsache wird, bedarf es zwei nicht ganz unwichtiger Einschränkungen. Erstens: Wir sprechen von Zwieback. Und zweitens: Wir befinden uns in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. In Friedrichsdorf, einem 2000-Seelen-Ort nicht weit von Bad Homburg, lebten zu dieser Zeit sage und schreibe 38 Zwiebackmanufakturen vom Geschäft mit dem zweifach gebackenen Hefeteig, dessen Herstellungsverfahren dem Zwieback seinen Namen gibt und das ihm seine beinahe unbegrenzte Haltbarkeit verleiht. Friedrichsdorfer Zwieback stand für Qualität und wurde bis an die kaiserlichen Höfe in Berlin und Wien, nach Konstantinopel ebenso wie an den russischen Zarenhof exportiert. Das kleine Dörfchen im Taunus war das Zwiebackzentrum Europas.
Zu dieser Zeit, genauer im Jahr 1864, gründete Friedrich Wilhelm Praum, gelernter Bäcker und Müller, in Friedrichsdorf die Biback Zwiebackfabrik Sommer & Co. KG, kurz: Sommer. »Die ›Fabrik‹ war eine kleine Backstube, in der mein Ururgroßvater am Tag etwa einen Sack Mehl zu Zwieback verarbeitet hat«, erzählt Dietrich Praum, der heute, 150 Jahre später, den Familienbetrieb in inzwischen fünfter Generation führt. Allerdings nicht mehr direkt in der »Stadt des Zwiebacks«, sondern im einige Kilometer entfernten Neu-Anspach. Von dort aus beliefert er zwar keine Kaiser und Zaren, aber alle Alnatura Super Natur Märkte und den europäischen Naturkostfachhandel mit Zwieback nach alter Friedrichsdorfer Tradition.
Und nicht nur damit: In den 1950er-Jahren kamen süßes Fein- und salziges Knabbergebäck hinzu. Heute stellt das Familienunternehmen über 40 Keks- und Knabberprodukte her – vom Dinkel-Ingwer-Cookie bis zum Dinkel-Oliven-Snack. Eine weise unternehmerische Entscheidung: Denn der Siegeszug des Friedrichsdorfer Zwiebacks hielt nicht ewig an. Zum einen konnten die handwerklich arbeitenden Zwiebackfabriken mit der Industrialisierung nicht mehr Schritt halten. Zum anderen verlor der Zwieback mit steigendem Wohlstand nach dem Zweiten Weltkrieg seine Beliebtheit. Vielmehr haftete dem Gebäck inzwischen ein Image von Kinder- und Krankennahrung an – zumindest in Deutschland. »Insbesondere in südlicheren Ländern ist der Pro-Kopf-Verbrauch rund dreimal so hoch wie hierzulande«, erklärt Dietrich Praum. In Italien, Frankreich und Spanien ist die ungesüßte Variante, die auch mit herzhaften Belägen schmeckt, gang und gäbe.
Daran, dass man inzwischen auch in Deutschland ungezuckerten Zwieback – und den sogar in Bio-Qualität – kaufen kann, daran hat das Familienunternehmen keinen geringen Anteil. Die Bio-Zertifizierung im Jahr 1998 war ein Meilenstein in der inzwischen 150-jährigen Unternehmensgeschichte. »Es war eine Grundsatzentscheidung, zu sagen: Wir wollen nicht in der Menge wachsen, sondern ein qualitatives Wachstum erreichen, das nicht den Massenmarkt, sondern nur den Naturkostfachhandel im Fokus hat«, sagt Dietrich Praum. Seit 2003 hat bei Sommer zudem biodynamische Qualität Priorität. Der Geschäftsführer erklärt, warum: »Nach heutiger Erkenntnis ist der biodynamische Anbau die beste Form der Landwirtschaft, hier liegen die Wurzeln der Bio-Bewegung, und sie hat sich seit 90 Jahren bewährt. Hier vereinen sich Ursprünglichkeit und höchster Qualitätsanspruch.« Zwei Drittel der Produkte – darunter alle Zwiebacksorten, die herzhaft-knusprigen Oliven-Snacks oder die Dinkel-Rübli-Kekse – tragen das Demeter-Siegel.
Sommer stellt damit in der Bio-Backwaren-Branche das größte Sortiment in Demeter-Qualität. Ein Keks hat es sogar unter die sechs Nominierten für das Demeter-Produkt des Jahres 2013 geschafft: der Einkorn-Keltenkeks. Einkorn ist eine der ältesten bekannten Getreidearten und war bereits bei den Kelten beliebt. Das Rezept für den Einkorn-Keltenkeks, dem Fenchelsamen ein ganz besonderes Aroma verleihen, hat Sommer gemeinsam mit einem kulturgeschichtlichen Institut in Anlehnung an einen archäologischen Befund entwickelt.
Generell aber ist Dinkel das Getreide der Wahl. Gewährsfrau ist Hildegard von Bingen, die über den Dinkel sagte, er sei »das beste Getreide: fettig und kraftvoll und leichter verträglich als alle anderen Körner. « Dietrich Praum schätzt am Dinkel auch sein »kräftiges Aroma, das einen auch den Zucker nicht vermissen lässt«. Um immer die beste Qualität zu erhalten, setzt er auf enge Zusammenarbeit mit Vertragsbauern und Müllern in der Region; der Dinkel kommt ausschließlich aus Deutschland. Neben dem Einsatz hochwertiger Rohstoffe legt Dietrich Praum bei seinen Produkten insbesondere Wert auf eine traditionelle Herstellungsweise. Die Richtschnur dafür: »Unsere Produkte sollen schmecken wie hausgemacht. Deshalb kommt auch nur das rein, was rein muss.« Und das ist, so Praums Credo, auch das, was jeder Hobbybäcker zu Hause im Küchenschrank hat. »Je weniger drin ist, desto klarer der Geschmack und desto besser die Verträglichkeit«, dessen ist sich er sich sicher. Fast alle Backwaren aus dem Hause Sommer bestehen zudem aus rein pflanzlichen Zutaten. »Es ist erstaunlich, wie einfach es ist, tierische Produkte durch pflanzliche zu ersetzen. Zudem waren viele unserer alten Rezepte schon von Anfang an vegan.«
Vier der über 40 Produkte tragen außerdem das Fairtrade-Siegel. Rohstoffe wie Schokolade, Paranüsse, Kokosraspeln und Quinoa kommen aus fairem Handel von Kleinbauern in Übersee. Fairness und gute Partnerschaft liegen Dietrich Praum auch in Bezug auf seine 100 Mitarbeiter am Herzen. Viele von ihnen halten dem Familienunternehmen schon seit Jahrzehnten die Treue. »Wer einmal hier anfängt, der bleibt hängen«, bringt es Karin Müller, Leiterin des Qualitätsmanagements, auf den Punkt. »Alle hier schätzen die angenehme Arbeitsatmosphäre, in der jeder nach seinen Stärken und mit vielen Freiheiten arbeiten und seine Kreativität einbringen kann, zum Beispiel bei der Gestaltung unserer Produktverpackungen.« Kernaufgabe ist aber eine andere: Fünf Zertifizierungen jährlich – vom IFS-Zertifikat für höchsten Hygienestandard bis hin zum Demeter- und Bioland-Siegel – und die dazugehörigen Audits erfordern Vorbereitung und ständige Qualitätskontrolle.
Von der kleinen Backstube zur Zwieback- und Gebäckfabrik bis zum Unternehmen mit Nachhaltigkeitsanspruch und zur festen Größe im Naturkostfachhandel – was ist für Dietrich Praum das Geheimnis der 150-jährigen Firmengeschichte? »Meine Familie war schon immer mit Leib und Seele Bäcker. Der Funke ist einfach immer auf die nächste Generation übergesprungen.«